Im Park

Hass.

Ich spucke das Wort beinahe verächtlich aus. Nicht, dass es an jemanden gerichtet wäre. Ich sitze alleine auf einer Parkbank im Stadtpark und beobachte das Treiben um mich herum, während ich versuche, meinen Hass auf die Welt zu kontrollieren. Es gelingt mir nur bedingt.

Das war nicht immer so. Als ich jünger war, verschwendete ich weder Zeit noch Energie auf Dinge, die sich meinem Einfluss entzogen. Ich nahm sie hin. Diese Fähigkeit ist mir in den letzten zwanzig Jahren irgendwo abhanden gekommen. Menschen, Geschehnisse, Gegenstände ziehen meinen Unmut auf sich, so als hätte ich durch diese Tatsache etwas zu gewinnen. Ich projiziere meine eigene Unzufriedenheit auf andere, damit ich mich nicht mit mir selber auseinandersetzen muss. Mich trifft nie die Schuld, immer nur die anderen.

Ich spucke etwas gelbe Gallenflüssigkeit zwischen meine Beine und betrachte die Flüssigkeit, als sie zwischen meinen Schuhen zerrinnt.

Hass.

Oh, ich kann hassen. Mit der unvergleichlichen, erbarmungslosen Intensität von zehn Milliarden Atombomben und ich mache davon Gebrauch, so oft ich nur kann. Dabei spielt es keine Rolle, dass ich mir der Tatsache bewusst bin, dass ich mir selber wehtue. Irgendjemand hat mal gesagt, Hassen wäre wie Gift zu trinken und dann zu erwarten, dass sein Gegenüber daran jämmerlich zugrunde geht. Genauso fühlt es sich auch an.

Eine alte Frau setzt sich neben mir auf die Parkbank und beginnt, in ihrer Handtasche herumzukramen. Ich sehe sie nicht an, nehme sie lediglich zur Kenntnis. Mit der Frage, warum sie sich gerade neben mich setzt und nicht auf einer der zahllosen anderen, leeren Parkbänke, will ich mich nicht beschäftigen.

Meine Augen brennen und meine Hände Hände sind geballt. Nichts und niemand hat diesen Zustand verursacht, ich bin auf einhundert, aber kann beim besten Willen nicht sagen, warum. Das bringt mich immer mehr in Rage und der Gedanke, jemandem mit bloßen Händen das Herz herauszureissen, flackert in meinem malträtierten Kopf auf wie bei einer Glühbirne, die kurz davor steht, das Zeitliche zu segnen.

Die alte Frau hat ein Jausenbrot ausgepackt und isst neben mir. Ich höre sie schmatzen und beneide sie ein wenig. Ich beneide sie, weil sie einfach so hier sitzen kann, ohne die ganze Welt abschlachten zu wollen. Ohne sich zu fragen, was die ganze Scheiße denn eigentlich soll. Ohne sich alle 5 Sekunden auf die Unterlippe zu beißen, aus Angst, ja nichts Falsches, Verletzendes, Gemeines zu sagen. Sie sitzt einfach neben mir, kaut an ihrem Brot herum und beginnt schließlich auch noch leise ein Lied zu summen.

Hass.

Die Wut in mir steigt immer höher. Ich spüre, dass ich mir bald irgendwie Erleichterung verschaffen muss, ehe mein Kopf explodiert. Das tut er natürlich nie. Ich gebe meist weinend auf, kauere mich auf dem Fußboden oder der Couch zusammen und schlafe ein, sobald es meine höllischen Kopfschmerzen irgendwie erlauben, ehe ich in einen traumlosen Schlaf gleite, der mehr einer Ohnmacht gleicht.

Ich werfe der alten Frau einen gequälten Blick zu, den sie wortlos zur Kenntnis nimmt. Sie isst ihr Brot auf, packt das Papier in ihre Tasche, steht auf und geht schließlich, ohne ein einziges Wort von sich gegeben zu haben, summend davon.

Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt wie in diesem Moment.

Weinend stehe ich schließlich auf, ziehe die Schultern an und vergrabe meine Hände in meinen Jackentaschen. Nach einem flüchtigen Blick auf die Parkbank, gehe ich schließlich meines Weges.

Hass. Nichts anderes bleibt mir.