Archiv für den Monat: November 2015

Zug, Umzug, Umzug…

Es ist vollbracht! Nach ewig langem Herumsuchen und Inserate durchforsten ist es uns tatsächlich gelungen, einen wirklich annehmbare, schöne, große Wohnung zu finden, die unseren Bedürfnissen entspricht.  Selbstverständlich hatte hier der Zufall seine Finger im Spiel, denn wir waren gleich die ersten, die das Objekt im Internet nach dessen Freischaltung angezeigt bekamen und haben uns mit der tollkühnen Verbissenheit eines Chihuahua darauf gestürzt. Mit Erfolg. Dass wir nun monatlich soviel Kohle für Miete abdrücken müssen, wie eine rumänische Kleinstadt in Summe in einem Jahr verdient, sei mal dahingestellt. Wer schön wohnen will, muss Geld auf den Tisch legen. So ist das nun mal.

Man stellt sich aber natürlich schon irgendwann die Frage, warum man eigentlich so viel fürs Wohnen bezahlen muss. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, fällt mir ein, dass wir eigentlich nie Miete zahlen mussten. Waaas, rufen jetzt einige bestimmt, wie kann denn das sein?! Lug und Trug! Mitnichten. Wer in einer Hausbesorger-Wohnung wohnt, bezahlt eben keine Miete. Zumindest war das in den frühen Achtzigerjahren noch so. Man musste also nicht nur nichts für die Unterkunft bezahlen, sondern bekam vom Hauseigentümer auch noch ein kleines Gehalt, damit man sich um das Haus kümmerte. Stiegenhaus fegen, aufwaschen, Fenster putzen, Glühbirnen wechseln… so Zeug eben.

Natürlich war es klar, dass ich in keine Hausmeister-Wohnung ziehen würde. Davon abgesehen, dass ich weder Zeit, noch Lust habe, mich um die damit verbundenen Arbeiten zu kümmern, gibt es diese Art von Behausung scheinbar kaum noch. Der Posten des Hausbesorgers ist, so scheint es, in den letzten Jahren sang- und klanglos verschwunden. Stattdessen begegnen einem einmal in der Woche fremde, in gebrandete Overalls gekleidete, Herren, die mit eisernem Gesicht das Stiegenhaus säubern, ihren Kram danach in einen Kleintransporter schaffen und sich aus dem Staub machen.

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann fallen mir zig Situationen ein, wo Nachbarn sich mit hausrelevanten Problemen an meine Eltern wandten. Diese kümmerten sich darum, alle waren glücklich und zufrieden. Es entstand so etwas wie eine Hausgemeinschaft. Man kannte und grüßte sich im Stiegenhaus. Wenn es darum ging, die Mietzins-Erlagscheine zu verteilen, kassierte ich auch schon mal die eine oder andere Fünf- oder gar Zehn-Schilling-Münze, damals ein fürstliches Trinkgeld! Alles in allem kann man sagen, dass die Hausbesorgertätigkeit es meinen Eltern ermöglichte, ihre Kinder zu ernähren und darüber hinaus Geld zu sparen, das sie in unsere Wohnung in der Türkei investierten. Verdammt coole Sache eigentlich.

Umso unverständlicher ist das alles für mich, wenn ich an die Hausbesorgerin unserer letzten Wohnung in der Neubaugasse denke. Eine ständig mies gelaunte, kettenrauchende, schimpfende, hässliche Person, die de facto nie im Haus anzutreffen war und die anfallenden Arbeiten von einem polnischen Hausarbeiter erledigen ließ, der scheinbar in ihrem Kabinett wohnte. Überhaupt war die gesamte Mieterschaft in diesem Haus für Arsch und Friedrich. Keiner hielt es für notwendig zu grüßen, das Haustor würde einem, wenn man mal beladen mit Einkaufssackerln daherwackelte, vor der Nase zugeschlagen und irgendwelche fettärschigen Weiber parkten ihre Scheiß-Karren immer so, dass das Weiterkommen durch den Hof zu einem wahren Orientierungslauf mutierte. Mit einem Wort: katastrophal! Dafür war jedoch die Hausverwaltung, mit der wir des Öfteren zu tun hatten, vom Feinsten. Erledigten alles prompt und man musste sich um nichts kümmern. Da nahm man Mitbewohner, die scheinbar keine Kinderschule genossen hatten, schon gerne mal in Kauf.

Nun sehen wir uns, nach unserem Umzug, mit dem Gegenteil konfrontiert. Die Wohnung ist super, die Lage großartig, die Bewohner der Anlage sind nett, zuvorkommend, höflich und hilfsbereit, die überforderte Dame jedoch, die sich bei der Hausverwaltung um unsere Belange kümmert, verursacht bei mir jetzt schon, dass alle Feitln in der Hosentasche aufgehen. Jedem Mist muss man nachlaufen, nichts kriegt sie gebacken. Und wenn man nachfragt, wird man auch noch angeschnauzt. Ich habe beschlossen, ihr bis Jahresende Zeit zu geben. Danach wird sie mich und meine berüchtigten Wutausbrüche kennenlernen, wenn sie nicht langsam in die Gänge kommt.

Es scheint also, dass immer irgendwo der Hund drin ist. Eine Mischung aus alter Hausverwaltung und neue Wohnung wäre toll, aber das spielt’s halt leider nicht. Unterm Strich sind wir einfach nur glücklich in einer so großen Wohnung zu hausen, dass wir uns manchmal eine halbe Stunde lang suchen müssen.

Okay, das war etwas übertrieben.

Wie auch immer, Neubau kann uns mal gehörig am Arsch lecken. Pötzleinsdorf/Währing wird uns noch kennenlernen!

Im Park

Hass.

Ich spucke das Wort beinahe verächtlich aus. Nicht, dass es an jemanden gerichtet wäre. Ich sitze alleine auf einer Parkbank im Stadtpark und beobachte das Treiben um mich herum, während ich versuche, meinen Hass auf die Welt zu kontrollieren. Es gelingt mir nur bedingt.

Das war nicht immer so. Als ich jünger war, verschwendete ich weder Zeit noch Energie auf Dinge, die sich meinem Einfluss entzogen. Ich nahm sie hin. Diese Fähigkeit ist mir in den letzten zwanzig Jahren irgendwo abhanden gekommen. Menschen, Geschehnisse, Gegenstände ziehen meinen Unmut auf sich, so als hätte ich durch diese Tatsache etwas zu gewinnen. Ich projiziere meine eigene Unzufriedenheit auf andere, damit ich mich nicht mit mir selber auseinandersetzen muss. Mich trifft nie die Schuld, immer nur die anderen.

Ich spucke etwas gelbe Gallenflüssigkeit zwischen meine Beine und betrachte die Flüssigkeit, als sie zwischen meinen Schuhen zerrinnt.

Hass.

Oh, ich kann hassen. Mit der unvergleichlichen, erbarmungslosen Intensität von zehn Milliarden Atombomben und ich mache davon Gebrauch, so oft ich nur kann. Dabei spielt es keine Rolle, dass ich mir der Tatsache bewusst bin, dass ich mir selber wehtue. Irgendjemand hat mal gesagt, Hassen wäre wie Gift zu trinken und dann zu erwarten, dass sein Gegenüber daran jämmerlich zugrunde geht. Genauso fühlt es sich auch an.

Eine alte Frau setzt sich neben mir auf die Parkbank und beginnt, in ihrer Handtasche herumzukramen. Ich sehe sie nicht an, nehme sie lediglich zur Kenntnis. Mit der Frage, warum sie sich gerade neben mich setzt und nicht auf einer der zahllosen anderen, leeren Parkbänke, will ich mich nicht beschäftigen.

Meine Augen brennen und meine Hände Hände sind geballt. Nichts und niemand hat diesen Zustand verursacht, ich bin auf einhundert, aber kann beim besten Willen nicht sagen, warum. Das bringt mich immer mehr in Rage und der Gedanke, jemandem mit bloßen Händen das Herz herauszureissen, flackert in meinem malträtierten Kopf auf wie bei einer Glühbirne, die kurz davor steht, das Zeitliche zu segnen.

Die alte Frau hat ein Jausenbrot ausgepackt und isst neben mir. Ich höre sie schmatzen und beneide sie ein wenig. Ich beneide sie, weil sie einfach so hier sitzen kann, ohne die ganze Welt abschlachten zu wollen. Ohne sich zu fragen, was die ganze Scheiße denn eigentlich soll. Ohne sich alle 5 Sekunden auf die Unterlippe zu beißen, aus Angst, ja nichts Falsches, Verletzendes, Gemeines zu sagen. Sie sitzt einfach neben mir, kaut an ihrem Brot herum und beginnt schließlich auch noch leise ein Lied zu summen.

Hass.

Die Wut in mir steigt immer höher. Ich spüre, dass ich mir bald irgendwie Erleichterung verschaffen muss, ehe mein Kopf explodiert. Das tut er natürlich nie. Ich gebe meist weinend auf, kauere mich auf dem Fußboden oder der Couch zusammen und schlafe ein, sobald es meine höllischen Kopfschmerzen irgendwie erlauben, ehe ich in einen traumlosen Schlaf gleite, der mehr einer Ohnmacht gleicht.

Ich werfe der alten Frau einen gequälten Blick zu, den sie wortlos zur Kenntnis nimmt. Sie isst ihr Brot auf, packt das Papier in ihre Tasche, steht auf und geht schließlich, ohne ein einziges Wort von sich gegeben zu haben, summend davon.

Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt wie in diesem Moment.

Weinend stehe ich schließlich auf, ziehe die Schultern an und vergrabe meine Hände in meinen Jackentaschen. Nach einem flüchtigen Blick auf die Parkbank, gehe ich schließlich meines Weges.

Hass. Nichts anderes bleibt mir.