Stirnrunzelnd stapfe ich den Gehsteig entlang. Die Hände zu granitharten Fäusten geballt hoffe ich, dass mich irgendeiner dieser schwachköpfigen Hurenkinder von Passanten dumm anmacht. Anspricht. Anlächelt. Ansieht. Auf drei Meter nähert. Mir einen Grund gibt, mich mit meinen blanken Zähnen in ihren gottverdammten Gesichtern zu verbeissen. Bis ich auf Knorpel, Blut und KNochen stoße.
An einer roten Ampel bleibe ich stehen. Autos strömen lärmend von links nach rechts, ich will ihnen auf die Kühlerhauben springen und ihren Lack mit meinen Nägel zerkratzen. Mir die Lacksplitter unter die Nägel treiben, bis das Blut fontänenartig aus meinen Fingerspitzen spritzt und der Schmerz wie ein guter, alter Bekannter auftaucht um mich auf ein Bier einzuladen. Oder einen Vodka. Vodka ist besser.
Es wird grün und ich überquere den Zebrastreifen. Niemand nimmt Notiz von mir. Wieder einmal spuckt mir das Wetter in die Suppe. Alles hüpft verzückt durch die Gegend, froh, den beschissenen Winter endlich hinter sich zu lassen. Es hat kaum 15 Grad, aber nahezu alle Frauen lassen ihre Ärsche und Titten aus ihrer Kleidung hängen, als wäre Hochsommer. Die Wolken reiben sich am Himmel aneinander, bißchen Wolkenpetting, und entscheiden sich schließlich, einfach auseinanderzudriften.
Und dann kommt die Sonne.
Die. Gelbe. Sau.
Ich bleibe einfach stehen. Schließe meine Augen. Sehe orange und rote Farbschlieren durch meine geschlossenen Augenlider. Ich frage mich, wie lange es dauern würde bis ich erblinde, wenn ich mir die Dinger mit einem Messer absäbeln würde um direkt in die Sonne zu sehen. Ich könnte ein wenig darauf rumkauen. Wie so Augenlider wohl schmecken? Angewidert verziehe ich den Mund. Ich könnte schon kotzen, wenn ich ein Haar in meinem Essen sehe, geschweige denn eine ganze Reihe Wimpern auf meinem beschissenen Augenlid. Die Sonne wärmt mein Gesicht. Irgendwie fühlt es sich gut an.
Irgendwie will ich weitergehen. Mich wieder meiner Wut hingeben. Hassen. Aber ich klebe fest. Menschenmassen umschiffen mich und kein einziger sagt auch nur ein Wort. Niemand schreit ich soll mich verpissen, niemand rempelt mich an, keiner grunzt verächtlich. Als ich feststelle, dass ich das Sonnenlicht genieße, öffnen sich meine Hände. Ich spüre, wie Blut aus den winzigen, klaffenden Wunden tropft, die meine langen Fingernägel in meinen Handflächen hinterlassen haben. Das Blut rinnt über meine Finger bis zu den Spitzen, wo es sich kurz sammelt um kurz darauf tropfenförmig seinen Weg nach unten zu bahnen. Plip! Ich lächle.
Als sich die Wolken wieder zusammenschieben um die Sonne zu verdecken, öffne ich meine Augen. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie lange ich mit geschlossenen Augen an dieser Straßenecke gestanden habe. Es ist mir auch scheißegal. Als ich auf meine Handflächen sehe, bemerke ich, dass sie nicht mehr bluten. Ich atme einmal tief durch und gehe weiter.
Irgendwie fühl ich mich gut. Ich blende alles um mich herum aus und genieße den Frieden.
Wie ich mich kenne, wird mich die Realität bald einholen. Bis dahin sollten meine halbmondförmigen Wunden in meiner Hand schöne Krusten gebildet haben, die es wert sind, mit dreckigen Fingernägeln durchgestoßen zu werden.