Ich sitze auf einem Stuhl in der Küche und spiele mit einer Rasierklinge. Ein Radio leistet mir Gesellschaft. Die nervige Stimme eines Moderators mit bescheuertem Namen will mich davon überzeugen, dass das heute ein großartiger Tag wird. Ich frage mich, wie großartig er den Tag finden wird, wenn ich ihm einen frisch gespitzten Bleistift in seine beschissene Nase ramme.
Der Typ kichert vor sich hin und schwärmt von seinem Wochenende. Ich bin sicher, dass ihm sein schwuler Freund die Pupsgrotte so richtig schön hergenommen hat. Bla, bla und nochmals bla. Ich mache mir eine geistige Notiz, den Arschlöchern vom Sender mal einen Besuch abzustatten und ihnen nahezulegen, brauchbares Personal einzustellen. Unfassbar, dass man mit so einem Gewäsch tatsächlich Geld verdienen kann!
Er schiebt noch einen beknackten Spruch und als er plötzlich die nächste Nummer ansagt, versteife ich mich krampfartig und balle meine Hände, die Rechte hält immer noch die Rasierklinge, zu Fäusten. Blut tropft sofort in knallkreischendem Rot auf die Tischplatte. Ich springe auf und schließe die Augen. Der Typ will tatsächlich eine Nummer von Herbert Grönemeyer spielen! Ich rase in Gedanken in meinem Wagen zum Studio.
Ein Portier will mich aufhalten, ich plätte ihm die Nase. Er macht „Augs!“ und bleibt liegen.
Ich springe in den Aufzug, bemerke das Senderlogo neben der Taste „3“ und fahre in den dritten Stock. Ich laufe einen Gang entlang. Überall hängen Poster von irgendwelchen Stars, die keine Sau kennt. Ich versuche mir so viele Namen wie möglich zu merken. Allein wegen ihrer Arschgesichter muss ich ihnen einen Besuch abstatten. Mit zwei Schraubenziehern, einem Teppichmesser und einer Fahrradkette.
Ein zufällig daherkommender Typ mit Hund – schon wieder ein Zwergpinscher, die Scheißviecher verfolgen mich – sieht mich komisch an. Ich trete das Drecksvieh durch eine Glastür und dem Typen in die Weichteile. Er macht „Oigs!“ und bleibt liegen.
Endlich erreiche ich das Studio. Überall sitzen Leute und schauen in meine Richtung, als ich knurrend an ihnen vorbeistapfe.
Ich fasse mein Glück nicht! Der Moderator, dessen nasale Scheißstimme mich um den Verstand bringt, kommt um die Ecke und streckt die Hand in meine Richtung aus, als er mich sieht. Er will mich, einen debilen, selbstzufriedenen Gesichtsausdruck aufsetzend, dazu bringen, kehrtzumachen. Ich schnappe mir im Gehen einen Bleistift von einem Schreibtisch und ehe der Wichser „Rotznase“ sagen kann, habe ich ihm das Teil, Spitze nach oben, in sein rechtes Nasenloch gesteckt und mit einem Aufwärtshaken auf die Reise geschickt. Eine Fontäne Blut rauscht aus seiner Nase, er macht „Uigs!“, fliegt um und bleibt liegen. Ich lache ihn aus, trete gegen seine Füße und warne alle Anwesenden davor, jemals wieder Herbert Grönemeyer zu spielen. Alle nicken brav und sagen „Ja, Herr Professor!“.
Im Badezimmer öffne ich meine Faust und sehe mir den Schaden an. Alles halb so wild. Eine Narbe mehr auf meiner Lebenslinie, die bereits von unzähligen anderen Schnitten verunstaltet wurde. Ich verstopfe den Ausfluss, lasse heißes Wasser ein und balle die Hand erneut zur Faust. Lächelnd sehe ich den Blutstropfen nach, wie sie mit einem leisen „Plip!“ im Wasser landen und eine wunderschöne rosa Spur ziehen. Schließlich öffne ich meine Faust erneut und sehe mir die tiefen Schnitte in meiner Handfläche an.
Was für ein Anblick!
Wer will schon ohne Narben sterben…